Teilnehmer gesucht

Wer?

Mein Name ist Lukas Thüring, ich stamme aus Selb und studiere momentan an der Universität Maastricht/NL und ich suche Teilnehmer für ein Fokusgruppeninterview für eine Studie. Die Forschungsarbeit wird als Master-Thesis an der Fakultät für Kultur- und Sozialwissenschaften der Universiteit Maastricht/NL eingereicht.
Mehr Informationen über mich finden Sie hier. Falls Sie fragen haben, senden Sie mir gerne eine E-Mail oder schreiben Sie mir auf Facebook.

Was?

Die „Porzellanstadt“ Selb, über mehr als 160 Jahre geprägt vom Porzellan, hat sich in den letzten 30 Jahren und bedingt durch die Schließung zahlreicher Porzellanfabriken gravierend verändert. Die Fabriken am Ort beschäftigten nicht selten ganze Familien vom Berufseintritt bis zum Rentenalter, auch viele Schüler waren über die Ferienarbeit bei Heinrich, Rosenthal oder Hutschenreuther beschäftigt, um sich etwas dazuzuverdienen und man sprach nicht ohne Stolz von den „Porzellinern“.

Heute sieht das alles ganz anders aus. Nach dem wirtschaftlichen Niedergang der Porzellanindustrie hat die Stadt mit vielen Problemen zu kämpfen, die Industrielandschaft aber hat sich weitgehend wieder erholt. War Porzellan als Monokultur früher noch die wichtigste Industrie der Stadt, wurde sie seitdem abgelöst durch eine Vielzahl erfolgreicher Unternehmen aus verschiedenen Industriezweigen. Die Menschen, die „Porzelliner“, sind aber immer noch da, zum Teil im Ruhestand, zum Teil noch angestellt oder in andere Branchen gewechselt.

Wenn man in einer Stadt lebt, die so sehr vom Porzellan abhängig war, bleibt das nicht ohne Folgen auf die persönliche Einstellung zur Stadt und zum Produkt. Mit der Schließung der Fabriken trat eine tiefgreifende Veränderung im Leben vieler Bürger ein, die unterschiedlich stark aufgenommen und verarbeitet wurde.

Hier möchte ich Ansetzen. Für eine Abschlussarbeit möchte ich erforschen, wie sich die Identität der Stadtgesellschaft durch das Produkt Porzellan verändert hat, wie die Bürger heute zum Porzellan als Marke stehen und die Frage ob Porzellan als Kunst im öffentlichen Raum einen Einfluss auf die Bürger der Stadt hat.

Um diese Fragen zu beantworten, werde ich Interviews in der Stadt führen und mit Fokusgruppen und der Visual-Matrix-Method arbeiten. Die Visual Matrix wurde relativ neu entwickelt und hilft, den kulturellen Wert eines Kunstwerkes zu bestimmen und zu analysieren.

Dafür suche ich mindestens 24 Selber BürgerInnen, jeweils 8 der Altersklassen 18-25, 30-45 und 55+, mit allen Bildungsabschlüssen, mit und ohne Migrationshintergrund, die mich bei dieser Forschung unterstützen würden. Persönliche Daten sind für dieses Projekt dabei nicht wichtig, es geht dabei hauptsächlich darum, auf Basis von Fotos Eindrücke, Erinnerungen, Assoziationen einzubringen und in der Gruppe zu diskutieren.

[Eine Beschreibung der Methode gibt es hier [leider nur auf Englisch]]

Die Veranstaltung dauert etwa 2 Stunden. Ein genauer Termin kann festgelegt werden, wenn genügend Teilnehmer zusammengekommen sind.

Über jede Teilnahme würde ich mich außerordentlich freuen. Es gibt Pizza.

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D.

Die kurze Geschichte einer kleinen Stadt (1281-1960)

Erstmals erwähnt wurde Selb als im Jahr 1281, als Friedrich Barbarossa die Orte Selb und Asch an einen Plauener Adeligen verpfändet hatte; beide Orte sind damit 2017 mehr als 736 Jahre alt. Das Stadtrecht erhielt Selb 1426; zu dieser Zeit war Selb das Verwaltungszentrum des Egerer Reichsforstes. Das ist doch was. Bis zum 18. Jahrhundert ist nicht besonders viel bekannt, außer dass das Areal mehrmals verkauft, zerstört und wieder aufgebaut wurde , was für die Zeit nichts wirklich Besonderes war. Die Einwohner arbeiteten hauptsächlich als Gerber, Schuster, Zimmerer und Weber, wobei die Weberei knapp die Hälfte aller Einwohner ernährte.

Der Große Brand

Am 18. März 1856 brannte die Stadt durch den Fehler einer ebenso glücklosen wie törichten Dienstmagd fast völlig nieder. Die Bauern und Weber wurden arbeits- und mittellos. Ihre neuen Häuser bauten die Bürger – wie so oft, wenn das Geld knapp ist und die Zeit drängt – auf die Grundmauern der Ruinen, weshalb die Stadt heute aussieht wie sie aussieht und ein eigentliches Stadtzentrum immer noch fehlt.

Lorenz Hutschenreuther, der Sohn eines handlungsreisenden Porzellanmalers, nutze die für ihn günstige Gelegenheit und errichtete 1857 die erste Porzellanfabrik in Selb. Arbeitskräfte gab es nach dem Brand genug und auch die Rohstoffe (vor allem Holz, bzw. Holzkohle) für die Brennöfen) waren in rauen Mengen verfügbar.

Mit der Gründung wurde Freund Lorenz ungeplant zum Trendsetter. Nach der Fertigstellung der Bahnlinie Hof-Eger wurden bis 1900 sechs Fabriken gegründet, bis 1923 weitere sechs:1

  • Zeidler (1866)
  • Rieber (1868-1921)
  • Rosenthal (1879 im Schloss des Ortsteils Erkersreuth, ab 1887 in Selb)
  • Krautheim (1884)
  • Müller (1889)
  • Heinrich (1898)
  • Jäger und Werner (1906)
  • Gräf & Krippner (1912)
  • Krautheim & Adelberg (1912/13)
  • Zeidler & Purucker (1919) G
  • ebr. Hoffmann (1920)
  • Oberfränkische Porzellanfabrik (1923)

Das bedeutet, zusammen gab es einundzwanzig verarbeitende Betriebe mit insgesamt mehr als einhundert Schornsteinen für die Rundöfen in der Stadt. Die Gegend um Selb war damit eine der am frühesten industrialisierten Regionen des Königreichs Bayern.

Diese ganzen neuen Fabriken brachten Arbeiter [vulgo: „Wirtschaftsmigranten“] aus Bayern, Böhmen, Sachsen und Thüringen nach Selb. Die Bevölkerungszahl stieg von 3.341 Einwohnern im Jahr 1871 2 3 auf über 17.000 im Jahr 1939 an. In der Nachkriegszeit wuchs die Stadt nochmals auf mehr als 24.000 um 1961.

Die Stadtoberen hatten in den Sechzigern angenommen, dass die Stadt weiter wachsen würde, also brauchte man einen Plan – da kam der Rosenthal mit dem Werk Rothbühl gerade recht: Wie Walter Gropius einmal in die bayerische Provinz zog, um die Welt dort zu verbessern  

Anmerkungen
  1. Hackl H, Arzberger D. Selb – Eine Stadtgeschichte Mit Bildern. Verlag Gisela Arzberger; 1994
  2. Handelsregister des Königreichs Bayern im Jahre 1871. Adress-Buch sämmtlicher in den Handelsregistern des Königreichs Bayern bis zum Ende des Jahres 1871 eingetragenen
    Einzeln-, Gesellschafts- und Genossenschafts-Firmen mit Angabe der Geschäfts-Inhaber und der zur Zeichnung der Firmen Berechtigten sowie der Geschäftszweige. Verlag Rudolph Oldenbourg, München 1871.
  3. Anm. 17.04.2017: Zunächst hatte ich für 1840 eine Einwohnerzahl von etwa 6.000 angegeben, was für diese Zeit recht viel wäre; J. Hoffmann hat in den Kommentaren eine Korrektur geliefert, vielen Dank dafür!